16.06.1914 in Paris
älteste Pianistin der Welt, hat gerade mit fast 107 Jahren drei neue CDs mit Interpretationen von Debussy veröffentlich
„Man muss die pure Schönheit suchen. Es ist schwierig, sie zu erschaffen. Geht zu den Orten, der Musik, der Poesie und den Leuten, die Schönheit und Zärtlichkeit widerspiegeln.“ Colette Maze
Familie:
1 jüngerer Bruder (der war ganz anders als ich, ein Bourgeois und Geschäftsmann ohne Sinn für die Künste, vor 3 Jahren verstorben), 1 Sohn Fabrice (71), keine Enkel
„Meine Mutter war sehr streng und maskulin, sie ritt und jagte viel. Ihre Tiere hat sie geliebt, aber ihre Tochter nicht. Sie trat mich oft mit Füßen. Sie wollte mich wie einen Hund dressieren. Das war keine schöne Kindheit. Das Klavier hat mich in meiner Verzweiflung getröstet, Robert Schumann war mein Märchenprinz („prince charmant“). Schon als Baby habe ich Klavier gespielt. Die Nachbarsjungen in der oberen Etage übten jeden Tag Klavier, und ich habe die Töne dann nach Gehör nachgespielt. Da wurde dann meine musikalische Begabung festgestellt in der Familie. Puppen mochte ich überhaupt nicht – vielleicht weil es keine männlichen Puppen waren. Das Klavier dagegen mochte ich schon.“
Als meine Klavierprüfung anstand, konnte ich wochenlang vor der Prüfung nicht üben. Meine Eltern waren verreist, und ich musste im Dienstbotenzimmer unterm Dach schlafen. Die Wohnung, in der das Klavier stand, hatten sie abgeschlossen, damit ich ja nicht auf die Idee kam, einen Verehrer mit nach Hause zu bringen. Ich war verzweifelt, aber die Prüfung habe ich trotzdem bestanden. Ich war von 1935 – 1940 Schülerin von Alfred Cortot selbst, der die École Normale de Musique de Paris gegründet hat. Ich bin die letzte aktive Pianistin, die noch nach seiner einmaligen Methode spielt.
Alfred Cortot hat damals in Deutschland eine Frau kennengelernt, die ihm Yoga beigebracht hat. Aus diesen Yoga-Übungen hat Alfred eine spezielle Yoga-Schule für Pianisten entwickelt, die ich heute noch täglich praktiziere (siehe Fotos).
Wenn man angespannt ist, muss man schnellstmöglich lockern. Es ist wie beim Fahrradfahren, ein Fuß tritt und der andere ruht sich aus. Die Leute heutzutage sind alle viel zu angespannt, man muss loslassen und durchatmen.
Vor dem Krieg schickten mich meine Eltern auf die École d’infirmière (Krankenschwestern-Schule). Als der Krieg begann, habe ich als Krankenschwester in Auxerre gearbeitet. Als die Deutschen dann näherkamen, flüchtete ich alleine mit meinem Fahrrad zu meinem ehemaligen Kindermädchen in die Auvergne in ein Dorf nahe Clermant-Ferrand. Da bin ich bis zum Waffenstillstand geblieben. Nach Paris bin ich wieder mit dem Fahrrad zurückgefahren.
Nach dem Krieg habe ich dann wieder meine Klavier-Arbeit fortgesetzt.
Ich habe viele Romane gelesen und immer vom Märchenprinz geträumt – bis heute warte ich auf ihn! Wir Mädchen unserer Zeit erwarteten zu viel von den Männern!
Meine Eltern wollten, dass ich reich und standesgemäß heirate. Deshalb wurde ich regelmäßig Söhnen der 200 reichsten Familien Frankreichs vorgestellt. Das war nichts für mich! Ein aufgeblasener Sohn trug sogar Gamaschen über seinen Schuhen, ausgerechnet den sollte ich heiraten! Ich war eher ein Mädchen vom Land in meinem Inneren.
Ich habe viele Musikabende zu Hause organisiert, da kam auch immer eine Freundin mit ihrem Mann – der war gross und hatte blaue Augen wie ein Märchenprinz. Diese Freundin wurde dann verrückt und kam in die Klinik. Ihr Mann bat mich, ihn nicht alleine zu lassen, und nun, dann hatte ich plötzlich ein Kind von ihm – „Fille Mère“ und das unehelich. Das war eine Katastrophe.
Geheiratet habe ich dann Monsieur Maze, 38 Jahre älter als ich. Er war sehr nett zu mir und hat mir immer geholfen, aber der Märchenprinz war er nicht. Blaue Augen sind wichtig, die sind wie das Meer, da schwimmen Schiffe drauf.Mein Mann war Direktor des Armee-Theaters – er hat Theater- und Musikaufführungen in Kasernen und Stützpunkten zur Motivation organisiert. In den 70er Jahren habe ich viele Konzerte mit Pierre Gerbaut gegeben, einem begnadeten Violoncello Spieler. Die Kombination Piano und. Violoncello ist traumhaft!
Mein Sohn Fabrice hat immer viel Musik hören dürfen – er hat mich dazu überredet, mit über 100 CDs zu veröffentlichen. 6 CDs sind bereits erschienen, im April erscheint ein Schuber mit 3 CDs mit Debussy-Interpretationen. Die können über Amazon bestellt werden. Die Platten werden von einem befreundeten Tontechniker in ihrer Wohnung am großen Steinway Flügel aufgenommen. Immer am frühen Sonntag Morgen, dann gibt es keine störenden Straßengeräusche von draußen. Colette war bereits mehrmals in Fernsehreportagen und in Artikeln von „Le Parisien“. Vor einigen Jahren hat sich ein Taxifahrer unsterblich in sie verliebt- da hagelte es Liebesbriefe und Rosensträusse. Aber seit fast zwei Jahren ist wieder Ruhe.
Ernährung: Ich esse gerne Obst und Gemüse, Langusten sind OK, Fisch mag ich gar. nicht. Dunkle Schokolade liebe ich. Und Rotwein! Davon trinke ich fast eine Flasche pro Tag.
Colette fragt mich: „weißt Du was nach dem Leben kommt? Ich weiß es nicht….“



